«Ein neugeborenes Kind ist nicht viel mehr als ein Geschöpf, das schläft, trinkt oder schreit, mehr Wurm als Mensch. Geschlechtslos, dürfte man meinen. Und doch: Kaum auf der Welt, strömen Menschen herbei, die sich seelig lächelnd über den Rand des Kinderwagens beugen, staunenden Blicks das neue Leben beäugen und dann wie aus der Pistole geschossen fragen: «Isch es e Bueb oder es Meitli?» Nicht: «Oh hallo, schau mal an, ein neues Kind. Was aus dir wohl wird?» Könnte ja sein. Nein: «Isch es e Bueb oder es Meitli?» Kaum da – zack! – wird dem Neugeborenen ein Identitätsstempel aufgedrückt, der blaue respektive rosa Stempel der Binarität, der massgeblich mitbestimmt, wie ein Leben wird und wie wir es zu leben haben. Poststempel «Bueb» / Poststempel «Meitli» – ab damit in die Annahmestelle des Aufwachsens, damit man (oder eben frau) auf der Reise des Lebens auch nicht vergisst, wer man (oder eben frau) ist.» |