Liebe Freund*innen,
es war so wie immer, nur eigentlich noch schlimmer: Ich habe mir den ganzen Sommer über fassungslos angeschaut, was für ein gefährlicher Mist uns in den Medien um die Ohren gehauen wird. Hier schreibt euch übrigens eine extrem angesäuerte Ariane, Geschäftsführerin von PINKSTINKS. In den einschlägigen Printmagazinen ging es wie jedes Jahr um das Optimieren und Verkleinern von Körpern – vor dem Hintergrund vieler aktueller Zahlen finde ich das NOCH weniger aushaltbar als bisher.
Denn es ist so: Neue Studien zeigen, dass Essstörungen stark gestiegen sind, gerade bei Mädchen.1 Auch Femizide und andere Gewalttaten gegenüber Frauen haben stark zugenommen2, während »Femizid« kein einziges Mal im Koalitionsvertrag der Merz-Regierung vorkommt. Das Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« hat 2024 einen Höchststand erreicht und eine Verdreifachung der Anrufe seit 2013.3 Und gleichzeitig herrscht enormer Platzmangel in Frauenhäusern: Aktuell gibt es in Deutschland etwa 7.800 Plätze, laut der Istanbul-Konvention müssten es rund 19.900 sein.4 Noch bedrückender ist folgende Zahl: 16.382 Frauen mussten die Frauenhäuser 2022 abweisen, weil sie keine Plätze mehr hatten.5 Und es ist zu befürchten, dass diese Zahl seitdem gestiegen ist …
Wir sehen auf den Laufstegen weltweit sehr dünne Models, die Kleidung in Size Zero präsentieren, als wäre nie was gewesen. Prominente erzählen begeistert von ihren Beauty-OPs und »Erfolgen« mit »Abnehmspritzen«, als wäre es das Normalste der Welt, sich immer weiter zu straffen und zu verkleinern.
Von überall wird uns zugerufen: »Wir wollen alle wieder dünn sein!«, als wäre Body Positivity nur eine kurze »Lifestyle«-Mode gewesen – und nicht eine hochpolitische Bewegung, die ihre Anfänge in der Fat-Acceptance-Community und in Schwarzen, queeren und feministischen Bewegungen der 60er- und 70er-Jahre in den USA nahm.
Frauenkörper und weiblich gelesene Körper sind von allen Seiten massiver Gewalt ausgesetzt und Zeitschriften wie »Inside« kommen uns zur warmen Jahreszeit ernsthaft mit dem Text über Promis »Das tun sie für ihren Sommerbody«???!!! In diesen Heften finden sich dann Abnehmtipps und »Schlank-Booster-Rezepte«, wie lieb gemeinte Tipps einer Freundin! Mir fehlen einfach die Worte.
Leider befindet sich ein Schmierblatt wie »Inside« dabei in Gesellschaft vieler anderer Medien, die uns teilweise erstaunlich perfide – weil auf den ersten Blick nicht klar erkennbar – zurufen: Kümmere dich jetzt gefälligst um dein hängendes Fleisch, du bist sonst eine Zumutung für die Gesellschaft. Uns wird ein Ideal von Körpern und vom Dünnsein in die Gehirne gebrannt mit dem Versprechen: »So wirst du als wertvoller und produktiver Teil der Gesellschaft wahrgenommen. Du willst doch nicht krank und faul aussehen, oder?«
Da uns diese Botschaften den ganzen Tag durch Werbung, Filme und vor allem Social Media um die Ohren gehauen werden, ist es unglaublich schwer, sich dem zu entziehen und NICHT ständig das Gefühl zu haben: Ich habe mich nicht im Griff, ich strenge mich nicht genug an, andere sind attraktiver und wertvoller.
Feindlichkeit gegen weibliche und weiblich gelesene Körper ist strukturell fest in unserer Gesellschaft verankert. Wir können sie nur in Gemeinschaft überwinden und wir brauchen dafür Politik und Medien, die sich FÜR Menschen und FÜR Körper einsetzen, und nicht GEGEN sie.
Daher ist es mir ein dringendes Anliegen, nochmal zu wiederholen, was PINKSTINKS seit nunmehr 13 Jahren fordert:
Liebe Medien, lasst uns in Ruhe mit euren unrealistischen und krankmachenden Körperbildern! Stellt endlich euer Bodyshaming ein! Denn die Abwertung von weiblichen Körpern hängt direkt zusammen mit zunehmenden Essstörungen und ansteigender Gewalt gegen Frauen.
Ja, wir alle haben Körper, die in den wenigsten Fällen so aussehen wie in euren Magazinen, who cares?!? Es gibt wirklich so viel wichtigere Themen; warum verwendet ihr eure Energie darauf, Menschen das Gefühl zu geben, falsch zu sein? Fangt endlich an, euch in den Redaktionen dazu zu bilden, woher es überhaupt kommt, dass »schön« mit »dünn« gleichgesetzt wird und warum diese Körperideale im Kern rassistisch sind. Spoiler: Westliche Schönheitsnormen entwickelten sich in kolonialen Machtverhältnissen und dienten zur Hierarchisierung und Legitimation von Herrschaft. Es fehlt so viel Wissen dazu, warum es gewaltvoll ist, Schönheitsideale zu reproduzieren, die für viele unerreichbar sind und was das mit Frauenfeindlichkeit und Kapitalismus zu tun hat.
Ihr wundervollen Menschen, ich sage euch, wie es ist: Wenn ich all diese körperfeindlichen Überschriften und Texte sehe, bin ich soooooo froh, für PINKSTINKS zu arbeiten. Denn Aufklärung zu den Themen Körper- und Fettfeindlichkeit und zu Sexismus in den Medien liegt tief in der DNA von PINKSTINKS.
Von Beginn an waren wir aktiv gegen das problematische Format »Germany’s Next Topmodel«.
Wir informieren regelmäßig zu den unerreichbaren Bildern und Ansprüchen, denen wir ausgesetzt sind.
Sensibilisieren gegen Sexismus in Werbung und Medien.
Machen Kampagnen wie »Echt Jetzt« und »Werbung wirkt länger, als man denkt«, die eine breite Öffentlichkeit auf Sexismus aufmerksam gemacht haben.
Und: Wir sind mehr als je zuvor an Schulen präsent: Wir bilden und bestärken Kinder und Jugendliche dort, weil wir (aktuelle Zahlen belegen es leider auf dramatische Art und Weise) wissen, dass diese oft besonderem Druck ausgesetzt sind und sich falsch und alleingelassen fühlen, was schwerwiegende Folgen haben kann. Genau hier setzen wir an.
Vielleicht habt ihr es gelesen, wir sind aktuell wieder mit unseren beiden Theaterstücken »Vielfalt ist Schönheit« und »David und sein rosa Pony« im Land unterwegs. (Schreibt uns, wenn wir zu euch an die Schule kommen sollen! Einfach eine Mail an unsere Theaterpädagoginnen und Vorständinnen Jamie & Lara: watsonwichels@gmail.com)
Viele Schulen arbeiten mit unserem stark nachgefragten Arbeitsheft zu Sexismus (das wir demnächst digital anbieten wollen!) und mit unseren Videos aus der »Schule gegen Sexismus«.
Unsere Workshops wie »Alltagssexismus an Schulen« oder »Von Social Media in den Schulalltag« werden so häufig angefragt wie noch nie, weil es – so wird uns einhellig berichtet – wieder einen starken Trend zu Queerfeindlichkeit und toxischer Männlichkeit gibt und Lehrer*innen oft gar nicht wissen, wie sie dem begegnen können.
Überall da können wir unterstützen. Und planen aufgrund der großen Nachfrage bereits weitere Bildungsmaterialien und Formate für Kinder und Jugendliche.