Liebe Freund*innen,
ganz kurz vor Weihnachten hat eine Personalentscheidung der ARD für Kritik gesorgt: Thilo Mischke soll Moderator der Kultur-Sendung »ttt – titel, thesen, temperamente« werden und ab Mitte Februar im Wechsel mit Siham El-Maimouni moderieren. Warum das ein Thema für unseren Newsletter ist? Weil sich Thilo Mischke in der Vergangenheit mehrfach sexistisch, frauenfeindlich und rassistisch geäußert hat. Doch das haben nicht etwa die für die Besetzung zuständigen Gremien in der ARD herausgefunden, sondern das haben freie Autor*innen und freie Journalist*innen recherchiert. Eine Gruppe um Annika Brockschmidt, Isabella Caldart, Rebekka Endler und Anja Rützel hat dann ihre Recherche-Ergebnisse im Podcast »Feminist Shelf Control« veröffentlicht.1 Sie haben also den Kandidaten Mischke einem Check unterzogen – ohne Bezahlung, in ihrer Freizeit und innerhalb kürzester Zeit –, der eigentlich Voraussetzung in einer öffentlich-rechtlichen Organisation wie der ARD sein müsste.
Die Zuständigen in der ARD haben erst versprochen, die »Vorwürfe« zu prüfen, dann wurde vereinzelt auf Presse-Anfragen reagiert mit der Aussage: Man halte an Thilo Mischke fest, weil das alles lange her sei und er sich distanziert habe (was, wie die Recherche zeigte, beides nicht stimmte). Nach einer längeren Schweigephase hat die ARD schließlich verkündet, dass Thilo Mischke den Job nicht bekommt.2 Leider lautete die Begründung nicht: Oh ja, wir haben alles geprüft, sorry, wir haben übersehen, dass er sich immer wieder sexistisch und rassistisch geäußert hat, danke für eure Recherche! Sondern: Man wolle weiteren Schaden von der Sendung und von Mischke abwenden, ARD-Chefin Christine Strobl beklagte außerdem, dass eine Debatte unmöglich gemacht worden sei.3
Der Druck war während der Schweigephase gestiegen: Denn die recherchierenden Autor*innen und Journalist*innen hatten etwas ins Rollen gebracht, das am 2. Januar in einem Offenen Brief von 100 Kulturschaffenden gipfelte, der sich auf die Rechercheergebnisse bezog und in dem sie ankündigten, nicht mehr mit »ttt« zusammenarbeiten zu können, sobald Mischke Moderator werde.4 Dieser Brief ist mittlerweile von fast 250 Kulturschaffenden unterschrieben worden.5
Was wir daraus mitnehmen: Es liegt noch viel Arbeit vor uns! Denn in einer Organisation wie der ARD muss es selbstverständlich sein, dass sexistische, rassistische, ableistische oder andere diskriminierende Äußerungen ein Ausschlusskriterium sind – egal, wie gerne die Verantwortlichen einer Person einen Job geben würden. Entweder ist hier Sexismus nicht erkannt worden oder einfach ignoriert worden. Beides entsetzt uns, denn die ARD ist Teil des Bündnisses »Gemeinsam gegen Sexismus« (dem PINKSTINKS ebenfalls angehört) und hat erst im März einen Maßnahmenkatalog gegen Sexismus am Arbeitsplatz6 veröffentlicht. Unsere tollen Kolleg*innen von ProQuote Medien haben vor ein paar Tagen in 4 klaren Forderungen formuliert, welche Konsequenzen nun folgen müssen.7 Und ja, im Mittelpunkt stehen: Sensibilisierung und Aufklärung, um Sexismus und patriarchale Strukturen zu erkennen und zu verhindern. Doch das darf nicht nur für die Medienbranche gelten – sondern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Und daran arbeiten wir bei PINKSTINKS mittlerweile seit mehr als 12 Jahren. Ja, wir haben schon viel zusammen erreicht. Aber die Sache Thilo Mischke zeigt: Es gibt noch sehr viel zu tun!