Liebe Freund*innen,
wir fallen mal gleich mit der Tür ins Haus oder anders: mit dem Sänger auf die Bühne. Rammstein hat am Samstag die Europatournee gestartet und kommt diesen Mittwoch nun auch nach Deutschland. Habt ihr‘s mitgekriegt? Nee, wir auch nicht. Denn in den Medien herrscht bisher Schweigen. Schweigen darüber, worüber letztes Jahr viel gesprochen wurde und Schweigen darüber, dass die Vorwürfe gegen Till Lindemann zwar juristisch nicht mehr verfolgt werden, aber noch im Raum stehen. Schließlich haben zwei Frauen ihre Aussagen eidesstattlich versichert.1 Zahlreiche Screenshots von WhatsApp und Instagram-Chats belegen ihre Aussagen.2 Wir wollen nicht schweigen. Und auch viele andere Menschen nicht, die sich zu Demonstrationen vor den Konzerten formieren. Ein ganz herzlicher Gruß geht raus nach Dresden, der ersten Station der Tournee und der Demo »Till Verschwindemann – Keine Bühne für Täter« !3 Wir dürfen nicht schweigen. Denn das würde bedeuten, dass Menschen ganz umsonst den Mut aufgebracht haben, über Vorfälle zu berichten. Keine Selbstverständlichkeit. Und das würde bedeuten, dass Anwälte wie in diesem Fall die von Till Lindemann mit ihren Unterlassungsverfügungen gegen (mutmaßlich) Betroffene, Medien und Petitionsstarter*innen erfolgreich wären. Immer geht es ums Schweigen. Ums Aussitzen. Und dann so tun, als ob nichts gewesen wäre. Alles auf Anfang.
Schlimmer noch: Wir dürfen uns jetzt schon innerlich wappnen gegen die Provokationen, für die Till Lindemann bekannt ist. Auf der Bühne, aber auch in den Songs: Jeder zehnte Song der Band beschreibt sexualisierte Gewalt.4 Till Lindemann fühlt sich sicher. Anders als die Frauen, die seine Übergriffe öffentlich gemacht haben. Und anders als sich jetzt wahrscheinlich die jungen Konzertbesucherinnen fühlen, die trotz der Vorwürfe nun mal live dabei sein wollen. Ihr gutes Recht. Ein wichtiges Recht. Denn schließlich wollen wir alle in einer Welt leben, in der sich Frauen frei bewegen können.
Doch es gibt auch diejenigen, die jedes Recht zum Schweigen haben: Die Frauen nämlich, die über ihre erlebten Übergriffe nicht reden möchten. Warum? Aus ganz verschiedenen Gründen, aber wie wir wissen auch deswegen, weil sie von dem Umgang mit Vorwürfen sexualisierter Gewalt verunsichert, verängstigt und desillusioniert sind. Die beobachten müssen, wie Frauen in Gerichtsverfahren und Medien lächerlich gemacht und re-traumatisiert werden. Wie ihnen eine Mitschuld vorgeworfen wird. Wie über die Kleidung von Betroffenen sexualisierter Gewalt berichtet wird, über die »aufreizende« Art zu tanzen, über ihre Begeisterung, Teil der sog. Row Zero* sein zu können. Darüber, dass sie des Lügens bezichtigt werden aus Gier nach Ruhm. Fan sein – Eine Gefahr für Körper und Reputation?
Lasst uns auch für diese Frauen laut bleiben, liebe Freund*innen. Lasst uns verhindern, dass das große Schweigen um sich greift.
Aber reicht das? Die Gefahr ist groß, so beschreibt es Nils, dass »wieder nichts passieren wird – nachdem es passiert ist.« Lasst uns »potenziellen Opfern brauchbare Mittel zum Umgang mit mutmaßlichen Taten an die Hand geben.« So lautet auch sein Fazit in unserem Artikel »Tausendmal ist nichts passiert«.
Dann mal los.
Mit lauten Grüßen Euer PINKSTINKS Team
P.S. Verhindert gemeinsam mit uns, dass sich der Mantel des Schweigens über Themen wie dieses ausbreitet. Unterstützt uns, damit wir lauter werden können!
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