Liebe Freund*innen,
ihr habt ein Schimmelproblem, die neue Küche muss montiert werden und was ist das eigentlich für ein Riss in der Wand? Keine Sorge, niemand muss jetzt gestresst vom Stuhl aufspringen. Anstatt mit solchen Notfällen selbst zu hantieren, engagieren viele von uns lieber fachkundige Handwerker*innen. Aber kennt ihr das auch? Dieses mulmige Gefühl, männliche Handwerker in die Wohnung zu lassen? Besonders, wenn ihr eine Frau oder eine queere Person seid, alleine zu Hause und mit dem Arbeitstrupp der berüchtigte »raue Umgangston« eintritt?
Wir jedenfalls kennen es. Und gleichzeitig kennen wir unglaublich tolle und rücksichtsvolle Handwerker. Trotzdem fragen wir uns manchmal: Wo sind eigentlich die Frauen und die queeren Personen im Handwerk?
Und haben deshalb mal nachgerechnet: Die Wahrscheinlichkeit, dass die von euch engagierte Handwerks-Person weiblich ist, hängt ganz davon ab, was eigentlich gebaut, repariert, gebacken, gestrichen oder genäht werden soll. Handwerk ist nämlich nicht gleich Handwerk.
Auf den ersten Blick sehen die Zahlen zwar nicht paritätisch, aber zumindest halbwegs solide aus: Jede*r siebte Auszubildende war 2023 weiblich. Einer von vier Handwerksbetrieben wird von einer Frau geführt (naja, zumindest »mit«).1 Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn die Geschlechterverteilung unterscheidet sich innerhalb der ungefähr 130 handwerklichen Berufe (von Goldschmied*innen und Bootsbauer*innen über Sattler*innen und Geigenbauer*innen bis hin zu Kraftfahrzeugmechatroniker*innen) stark. Und auch, wenn mehr und mehr Frauen gewerblich-technische Berufe ergreifen, scheint das Handwerk noch immer klar aufgeteilt – in »männliche« und »weibliche« Tätigkeiten. Im Bauhauptgewerbe zum Beispiel liegt der Frauenanteil bei gerade mal 1,8 %!2 Maßschneider*innen und Konditor*innen in Ausbildung dagegen sind zu über 80 % weiblich.3 Auch unter den un- und angelernten Kräften finden sich überdurchschnittlich viele Frauen.4 (Leider ist die Studienlage hier, wie so oft, binär.)
Wie kann das sein? Schuld sind, ihr ahnt es, veraltete Geschlechterklischees. Und Klischees haben kurze Beine: Sie fangen im Kinderzimmer an. Als Kind lernen wir spielerisch, wo unser Platz in der Gesellschaft ist. Und wie klar dieser Platz auch 2024 noch definiert ist, realisieren wir spätestens im Spielzeugladen: Bagger und Rennautos für Jungs, Prinzessinnen-Barbies und Reiterhof-Bettwäsche für Mädchen. Alles, was Schönheit oder Fürsorglichkeit repräsentiert, ist »Mädchen-Angelegenheit«. Im Spiel, in Büchern, Filmen, Serien und im alltäglichen Umfeld finden Kinder Vorbilder. Und Vorbilder prägen das kindliche Rollenverständnis. Wie Studien zeigen, können sie sogar Einfluss auf die spätere Berufswahl und den möglichen Karriereweg nehmen.5 Kein Wunder – denn was wir nicht sehen, das scheint auch nicht erreichbar.
Handwerkskammern, Innungen und Verbände haben das längst erkannt und arbeiten mit Kampagnen, in denen sie Frauen im Handwerk sichtbar machen, gegen das Klischee der Männerdomäne an. Leider viel zu spät, denn wurden solche Klischees von klein auf verinnerlicht, fällt es oft unheimlich schwer, diese bei der Berufswahl einfach über Bord zu werfen. Deswegen setzen wir bei PINKSTINKS so früh an und unterstützen Eltern, Kitas, Schulen und Beratungsstellen mit unseren Bildungsmaterialien, Lesetipps & Co, um gegen stereotype Geschlechtervorstellungen anzugehen.