Liebe(r) Friend,
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Lies doch mal rein …
Nichts war mehr wie vorher
von Lea Maria Wernli
Hey du, ja, genau du. Vielleicht weiß ich, wie du dich fühlst.
Meine Güte, wie sehr habe ich mich geschämt. Ich habe mich unglaublich geschämt dafür, dass ich dieses wunderbare Leben, das ich hatte, nicht genießen konnte.
Ich war immer wieder überfordert, angespannt, tief in meinen Geschichten über Vergangenheit, über Schuld und Scham verstrickt. Ich hatte einen wunderbaren Mann, zwei gesunde, großartige Jungs und gute Jobs.
Dennoch suchten mich die Gefühle der Überforderung und der Wut heim. Ich dachte, ich sei eine schlechte Mutter, eine schlechte Ehefrau und dass ich als Tochter und Freundin einfach nichts taugte. Wenn die Gefühle zu stark wurden, habe ich ZU VIEL, nicht nur ein wenig zu viel, sondern VIEL ZU VIEL getan: zu viel gegessen, zu viel gekauft, zu viel geredet, gestritten oder nach Aufmerksamkeit im Außen gelechzt.
Manchmal habe ich auch getrunken. Es war nicht täglich, nicht oft, aber es gab diese Stimme in mir, die sagte: „Ich darf das jetzt. Mit Freundinnen feiern, sehen und gesehen werden. Ich darf mir etwas gönnen. Der Alltag ist anstrengend genug.“ Und dann wurden manchmal aus einem Glas zwei und dann drei. Das Gespräch war zuerst spannend und die Tanzfläche verlockend. Aber ich konnte nicht nach Hause gehen, als es am schönsten war. Ich blieb. Aus einem Glas wurden viel zu viele. Und dann lag ich später im Bett und habe mich ganz tief geschämt.
Nach solchen Nächten konnte ich nicht verstehen, wie ich immer wieder entgegen all meiner Werte handelte. Am nächsten Tag packte ich wieder Schuld und Scham obendrauf. Ich verurteilte mich für all die Dinge, die ich gesagt oder getan hatte, wollte im Erdboden verschwinden.
Oh mein Gott, ich habe alles probiert, um das zu ändern. Ich war in Therapie, ich habe meine Vergangenheit durchleuchtet, analysiert, habe mit Energien und vergangenen Leben gearbeitet, körperlich, mental, psychisch und physisch – und ich dachte immer: Es kann doch nicht sein, dass es für mich keine Lösung gibt. Ich fühlte mich gebrochen, immer wieder, oder zumindest angeknackst. Ich habe meine Risse bepinselt, golden bemalt, dann wieder aufgerissen und wieder zusammengeklebt. Immer blieb ein kleines, schales Gefühl zurück.
Mit der Zeit besserte es sich, meine Dämonen zeigten sich seltener, aber ich schaute noch immer über meine Schulter zurück. Ich war immer diese eine Portion extra achtsam.
Immer ein Stück angestrengt.
Ich sehe dich. Ich spüre dich. Du versuchst alles, du gibst nicht auf und doch wirst du müde und dann geschieht es erneut, dann passiert es wieder. Der Dämon steht hinter dir und zack – du bist ausgeliefert. Du kannst dich nicht wehren, es fühlt sich so verdammt echt und real an. Der Druck ist so groß, dass du dir sagst: „Ach komm, ein Glas, ein Paar Schuhe oder die Chips ... es kommt sowieso nicht mehr drauf an.“
Und dann landest du dort, im Keller, die Laune sinkt, die Schuld ist groß. Du landest dort, wo du nicht sein willst. Dort, wo du weißt, dass jeder weitere Schritt nur ins Verderben führt. Du bist dir nichts mehr wert dort. Nichts ist für dich von wert. Wie auch. Es ist nur dunkel, schwarz, ausweglos. Und die Gewohnheit, die Sucht, das Tun erscheint wie ein kleines Kuscheltier. Es erscheint wie eine Möglichkeit, Licht, ein Fünkchen Menschlichkeit vielleicht, ein wenig Kontrolle im unkontrollierbaren Chaos der Gefühle. Und dann bist du dort und es wird ein klein wenig ruhiger. Für einen kurzen Moment etwas angenehmer.
Du atmest ein, du atmest aus und dann schließt du die Augen. Ja, es wird wieder hell werden, aber nicht in diesem Moment. Da ist es einfach dunkel. Und du legst dein Gesicht auf den Boden. Auf den kalten Boden.
Dann eines Tages, ja, da hat es „Boom“ gemacht, ich erwachte. Zu einem Zeitpunkt, als ich nicht mehr gesucht habe. Ich hatte mich zu dieser Zeit mit „angekratzt“, „gebrochen“, „noch nicht ganz heil“ irgendwie angefreundet. Ich war manchmal traurig, aber doch auch versöhnt mit diesem „Nicht-ganz-okay-Sein“.
Und dann, mitten in der Nacht …
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