Wo bleibt da eine demokratische Gesinnung, die nicht nur Indigene (mitsamt ihrer Lebensweise in einer wilden, natürlichen Umgebung), sondern auch unsere Mitgeschöpfe als gleichberechtigte Lebewesen einschließt?
Wie wäre es, wenn wir – wenn nicht als zivilisierte Menschheit insgesamt, dann wenigstens als Einzelmensch – von unserem hohen Ross herabsteigen und wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehren? Einer, der als Botschafter seines Volkes – der Achomawi oder Pit River – in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts Europa besuchte und den ich kennenlernen durfte, war Darryl Wilson. Aufgewachsen im Spannungsfeld seiner indigenen Tradition und der weißen Vorherrschaft, hat er versucht, uns an unser wahres Menschsein zu erinnern.
Eben dieses Spannungsfeld wird auf eindringliche, oft humorvolle und manchmal tragische Weise in seinen autobiographischen Skizzen deutlich. In seinem Buch »Am Morgen als die Sonne unterging« beschreibt er in kurzen, anschaulich-bildhaften Episoden seine Kindheit, zuerst mit seinen Eltern und Geschwistern und später, nach dem Tod seiner Mutter, in indigenen und weißen Pflegefamilien. Dabei wird deutlich, dass ihm die Abgetrenntheit und Gewalt (und Arroganz der Macht!) unserer zivilisierten Menschheit immer fremd geblieben ist: Wie kann es sein, dass Menschen dem Lebensnetz so weit entrückt sind, dass sie dem Irrglauben verfallen, es beherrschen zu können?
Eine Antwort darauf versuchte der indigene Autor Jack D. Forbes, indem er auf das Ojibwa-Wort »Wendigo«, auch »Wetiko« zurückgriff, das eine räuberisch-kannibalische Lebenshaltung bezeichnet. Von ebendieser sah er die zivilisierte Menschheit infiziert, von einem Virus, das sich rasend schnell ausbreitete. Wie das geschah und welche Opfer es forderte, beschreibt er nüchtern und um so herausfordernder in seinem Buch »Der Wetiko-Wahn«. Spätestens nach der Lektüre dieses Buches wird man anfangen darüber nachzudenken, ob es nicht besser ist, den Hochmut des Zivilisierten abzulegen, um einen schmerzhaften Fall zu vermeiden.
Es gibt viele Wege, sich in das Eingebundensein in der wirklichen Welt des Lebensnetzes zu begeben. Dafür haben wir mit unseren Büchern hoffentlich ein paar Wegweiser aufgestellt. Den Weg aber muss jede und jeder selbst gehen. Dass Ihr einen Weg findet, das wünscht
von Herzen
Euer
Andreas Lentz