Liebe Leserinnen und Leser,
was viele befürchtet hatten, ist tatsächlich eingetreten: Am 7. Februar stimmten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments für eine weitgehende Aufweichung der Gentechnik-Regeln. Die Risikobewertung für durch Neue Gentechnik (NGT) erzeugte Pflanzen fällt weg, die Rückverfolgbarkeit wurde eingeschränkt und für entstandene Schäden soll keine Haftung mehr bestehen. Die Volksvertreter haben somit »20 Jahre des Konzeptes des Vorsorgeprinzips zunichte gemacht«, wie die Koalition GVO-freies Italien in einer Pressemitteilung von Navdanya International erklärt.
Pikant an der Angelegenheit: Die französische Lebensmittelbehörde ANSES hatte bereits Wochen zuvor starke Bedenken geäußert. In einem Bericht legte sie dar, dass NGT-Pflanzen im Gegensatz zur Meinung der Kommission nicht mit konventionell erzeugten vergleichbar sind und dass deren Deregulierung daher »keine wissenschaftliche Basis« hat. Doch die Publikation des Berichtes wurde aufgrund von »politischem Druck« bis nach der Abstimmung im Europaparlament verzögert.
Ob nun »alte« oder »neue« Gentechnik – die Tatsache bleibt, dass weder die Langzeitrisiken ausgeschlossen werden können noch dass sich dadurch Pestizide erübrigen. Erst kürzlich ergab eine Recherche von Reuters in den USA, dass der Einsatz von durch Gentechnik gegenüber Pestiziden tolerant gemachten Pflanzen die Entwicklung resistenter Unkräutern förmlich explodieren lässt. »Es ist wie eine toxische Spirale«, so Bill Freese, wissenschaftlicher Direktor des Center for Food Safety in Washington, »ein Ende ist nicht in Sicht.«
Mexiko & Widerstand gegen den GVO-Imperialismus
Der Widerstand gegen GVO wächst weltweit und aktuell sind alle Augen auf Mexiko gerichtet. Dort hat die Regierung eine Verordnung erlassen, die ein schrittweises Verbot des Einsatzes von Glyphosat und der Verwendung von genetisch verändertem Mais in Tortillas vorsieht. Prompt hat die US-Regierung auf der Grundlage des Freihandelsabkommens zwischen den USA, Mexiko und Kanada ein Streitbeilegungsgremium aufgefordert, die Verordnung abzulehnen. Mexiko kontert nun mit der Aufforderung an die USA, Beweise zu liefern, dass ihr importierter GVO-Mais sicher für den Verzehr sei.
Vandana Shiva ist nach Mexiko gereist, um die nationale Kampagne »Sin Maíz No Hay País« (»Ohne Mais kein Land«) zu unterstützen. Bei mehreren Events sprach sie zur Signifikanz des mexikanischen Widerstands, über Biopiraterie, globalen Lebensmittelimperialismus und die Notwendigkeit, einen weltweiten Stopp der Privatisierung der Natur zu fordern. Der mexikanische stellvertretende Landwirtschaftsminister Victor Suárez begrüßte sie mit den Worten »Vandana Shiva, willkommen in Mexiko! Wir empfangen dich mit offenen Armen«.
So wie in Mexiko erheben sich Bürger, Landwirte, Gemeinschaften und Bewegungen überall auf der Welt gegen die unwissenschaftliche, undemokratische und anti-ökologische Einführung von GVO. Navdanya International hat deshalb zusammen mit der mexikanischen Kampagne, Regeneration International, Organic Consumer Association und weiteren Organisationen die »Gemeinsame Erklärung zur Verteidigung unserer biologischen Vielfalt, Saatgut- & Ernährungsfreiheit: Widerstand gegen den GVO-Imperialismus« ins Leben gerufen, die nun auch auf Deutsch zur Verfügung steht und mitgezeichnet werden kann.
Regeneration ist Leben!
»Wir stehen jetzt an einem Wendepunkt zwischen der Fortführung des mechanistischen Modells und der Wahl, im Einklang mit der Natur und ihren regenerativen und kreativen Fähigkeiten zu leben«, schreibt Vandana Shiva in ihrem neuen Blog-Artikel »Regenerative Agrarökologie: die notwendige Lösung zur Bekämpfung des Klimawandels« und stellt zugleich die Broschüre »Regeneration is Life« vor, die Navdanya International anlässlich der COP28 herausgebracht hat. Darin werden die zwei Wege aufgezeigt, denen wir uns als Menschheit gegenübersehen.
Der eine Weg führt in die Vertiefung des industriellen Paradigmas, beherrscht von Konzernmacht und Lebensmittelsklaverei, der andere führt uns aus der Klimakrise, durch Fürsorge für die Erde, Agrarökologie und echte Regeneration des Lebens – angefangen mit dem Boden und seinen Mikroorganismen, der Quelle von Gesundheit, Biodiversität und natürlichem Gleichgewicht. Wir freuen uns, Ihnen die deutsche Version der Broschüre »Regeneration ist Leben« präsentieren zu können, mit der Anregung, sie zu teilen.
»Einfach einen Samen in die Erde zu pflanzen, ist, wie diese Vision zur Realität wird. Und jede weitere Gemeinschaft, die ökologisch lebt, die ein besseres Leben lebt, bietet eine Lösung, die unseren ökologischen Fußabdruck vermindert, aber unseren Herzabdruck vergrößert und unseren Kopfabdruck vergrößert, mit einem größeren Bewusstsein«, sagt Vandana Shiva im dazugehörigen Video (mit dt. UT), das wir Ihnen zum Schluss noch ans Herz legen möchten. Auf dass dieses Bewusstsein wie kleine Samen überall aufgeht, wächst und gedeiht und eine Zukunft erblühen lässt, in der wir das Leben in seiner unendlichen Vielfalt feiern können!
Mit erddemokratischen Grüßen,
Ihr vandana-shiva.de Team