Hallo Friend,
mittlerweile vergeht kein Tag ohne schlechte Nachrichten. Schaut man sich die aktuellen Zahlen von FedEx an, lässt sich erahnen, was da in den kommenden Monaten auf die Anleger zukommen wird. Am Freitag gab der US-Logistikkonzern eine Gewinnwarnung heraus, die diverse andere Unternehmen mit runterzog.
Die Rezession kommt
Groß etwas vormachen müssen wir uns nichts mehr, denn die Rezession wird kommen und wird ganze Branchen schwer belasten. Logistiker sind das eine, aber auch deutsche Chemie-Unternehmen wie BASF oder Covestro müssen Energie sparen, Industrieunternehmen leiden weiterhin unter der Lieferkettenproblematik und Techunternehmen wie Meta unter weiterhin sinkenden Werbeeinnahmen. Das sind nur Beispiele, es sind noch viel mehr Unternehmen betroffen. All das führt wiederum zu weiter sinkenden Börsenkursen in den kommenden Monaten.
Es ist völlig verständlich, dass sich viele Investoren jetzt die Frage stellen, was man mit seinem Depot in solchen Zeiten machen soll. Alles ganz schnell verkaufen und in besseren Zeiten wieder kaufen oder Augen zu und durch?
Schaut man ins Netz, fällt auf, dass immer mehr Anleger Tabula Rasa mit ihren Depots machen und alles verkaufen. Aber ist so etwas tatsächlich sinnvoll? Pauschal lässt sich so eine Frage nie beantworten, weil jede/r andere Voraussetzungen hat. Benötigt man das Geld aus dem Depot beispielsweise zum Bewältigen der hohen Energiepreise oder Lebenshaltungskosten, ist es durchaus sinnvoll etwas zu verkaufen. Daher läuft es generell auf eine Antwort hinaus: "Es kommt darauf an". Aber worauf?
Alles verkaufen oder standhaft bleiben?
Ich versuche es mal aus meiner Anlegersicht zu beantworten, denn auch ich bin mit meinem Depot davon betroffen. Nicht so massiv wie andere, aber ich muss mir trotzdem Gedanken dazu machen, wie ich jetzt verfahre.
So habe ich mich ganz klar dafür entschieden, alle meine Aktien zu halten und nichts zu verkaufen. Vier Probleme haben die Entscheidung für mich einfacher gemacht.
1. Problem: Wenn ich alle meine über die Jahre gekauften Aktien verkaufen würde, müsste ich eine fünfstellige Summe allein an Steuern bezahlen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die ETFs, auch wenn diese durch die Teilfreistellung steuerlich anders behandelt werden. Ist das sinnvoller Vermögensaufbau? Aus meiner Sicht ganz klar nicht!
Nur bei Anlegern ohne hohe Kursgewinne über die Jahre macht das Problem nicht viel aus. Wenn man aber dann die ETFs verkauft, lernt man es nie mit Kursverlusten und schwankenden Börsen umzugehen. Die letzten, gut laufenden Jahre waren kein Maßstab.
Wie teuer so eine Umschichtung werden kann, hat der Finanzwesir vor kurzem analysiert.
2. Problem: Nun lässt sich entgegen: "Ich zahle lieber fünfstellige Steuern als einen sechsstelligen Depotverlust hinzunehmen". Valider Punkt, aber als langfristiger Anleger sollten mich diese kurzfristigen (kann durchaus auch Jahre dauern, ist aber bei einem 30-jährigen Anlagehorizont immer noch kurz) Kursverluste nicht wirklich interessieren.
Es lohnt sich am Anfang des Vermögensaufbaus immer Ziele festzulegen. Wenn ich langfristig anlegen will, sollte ich auch in schlechten Zeiten davon überzeugt sein. Wie du dir Ziele setzen und erreichen kannst, erfährst du beispielsweise hier.
3. Problem: Bisher ist an den Börsen tatsächlich noch gar nicht so viel passiert. Der MSCI World Index ist nur 6-8 % im Minus - je nach ETF-Anbieter. Das ist noch nicht mal ein richtiger Crash, sondern nur eine Korrektur. Gilt auch für meine Einzelaktien, denn die liegen bei -10 %.
Aktive Anleger mit einem nicht ausgewogenen Depot und beispielsweise einem Tech- oder High-Growth-Ansatz liegen eher bei -30 % bis -40 %. Da würde ich wahrscheinlich auch anders handeln.
Mit einem breitgestreuten Depot mit Unternehmen aus vielen Branchen oder breiten ETFs sollte man tatsächlich eher darüber stehen. Und wenn es am Ende des Jahres doch -30 % werden sollten, ist es nicht anders als im März 2020 - nur eben über einen längeren Zeitraum. Der eine extrem schwache Corona-Crash-Monat war tatsächlich einzigartig. Richtige Bärenmärkte gehen ungefähr zwei Jahre.
4. Problem: Ich erhalte bei einem Verkauf meines Depots keine Dividenden mehr. Mittlerweile sind das über das Jahr gesehen bei mir einige Tausend Euro. In diesem Jahr habe ich nach 8,5 Monaten schon so viele Dividenden eingenommen wie im gesamten letzten Jahr. Warum sollte ich darauf verzichten wollen?
Selbst wenn einige Unternehmen nun angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen ihre Dividende kürzen oder aussetzen sollten, wäre das nicht so schlimm. Selbst 2020 lief es bei der breiten Aufstellung des Depots noch gut, obwohl viele Unternehmen die Zahlungen ausgesetzt oder verringert haben.
In der Selbstständigkeit ist so ein passives Einkommen tatsächlich Gold wert.
Fazit
Mittlerweile habe ich schon einige Kurskapriolen seit 2007 mitgemacht. Natürlich wird die Höhe der nicht realisierten Verluste über die Jahre und Jahrzehnte immer höher, weil das Vermögen anwächst. Das "dicke Fell" wächst mit dem Vermögen. Aber das Geheimnis liegt tatsächlich in der persönlichen Asset Allokation, mit der man die Schwankungen für das eigene Wohlbefinden anpassen kann.
Der Anteil des Tagesgeldes sollte entsprechend höher sein, wenn ich persönlich nicht solche Schwankungen hinnehmen möchte. Durch die hohe Inflation bringt das natürlich Verluste mit sich, aber es lässt einen besser schlafen.
Der Anteil mit vermeintlich wenig schwankenden Anleihen ist jedenfalls auch nicht mehr das, was es mal war. Mein Anleihe-Anteil liegt in diesem Jahr 30 % im Minus. Nur die Kryptowährungen sind mit -48 % noch schlechter gelaufen. Selbst meine Themen-ETFs liegen nur bei -20 %. Wenig schwankend ist momentan tatsächlich nur das häufig unverzinste Tagesgeld. Selbst der Geldmarkt ist 2022 schwankungsreich. Geldmarktfonds liegen im Schnitt bei bis zu -1 %. Ist aber immer noch stabil.
Den Blick aufs Ganze sehen
Wie immer hilft hier auch ein Blick auf das große Ganze. Über die letzten fünf Jahre gesehen liegen alle meine Assets sehr gut im Plus - bis auf die Anleihen. Die haben nur ein Minus in Höhe von 5,9 % geschafft. Bis ich aber mit den Aktien und ETFs ins Minus rutsche, dauert es noch einige Korrekturen.
Auch wenn die kommenden Herbst- und Wintermonate hart werden, sollte man bei seinem Vermögen nicht in blinden Aktionismus verfallen. Lieber vorausschauend denken und weiterhin regelmäßig über Sparpläne investieren - wenn man es sich nach wie vor leisten kann. Ganz viele Probleme sind mittlerweile in den Märkten schon eingepreist.
Denn wie heißt es so schön "Time in the market beats timing the market". Am Ende ist das Risiko nicht investiert zu sein, langfristig eindeutig größer als das Risiko, investiert zu sein. Das zeigt dieser Beitrag von Prof. Dr. Hartmut Walz nochmal ganz anschaulich auf. |