Hallo Friend,
seit dem letzten Newsletter ist wieder eine ganze Menge passiert, so dass es mir in diesem Monat nicht an Themen mangelt.
2021 hatte ich das Thema "Payment for Order Flow" schon ausführlich im Newsletter aufgegriffen. Hinter dem Begriff steckt ein Rückvergütungsprozess, in dem die Neobroker die Aufträge der Nutzer gebührenfrei oder sehr günstig annehmen und diese dann an sogenannte Market Maker (i. d. R. Wertpapierhäuser) weiterleiten.
Über die eigenen Handelsplätze wickeln diese Market Maker dann diese Orders mit meist günstigeren Konditionen ab als eine größere Börse. Von dem kleinen Gewinn über den Spread wird ein Teil behalten und der andere Teil wieder an die Neobroker ausgezahlt. Ein lukratives Geschäft für beide Seiten.
Nun haben sich die EU und die EU-Staaten für ein Verbot ab 2026 ausgesprochen. In einigen anderen Staaten wie den Niederlanden war es schon vorher verboten. Das Geschrei hierzulande war groß, denn die "Neobroker" wie Scalable oder Trade Republic haben dank dieses Prozesses einerseits viel Geld verdient und andererseits für sehr günstige Ordergebühren gesorgt.
Kommt jetzt das Ende der Neobroker?
Das glaube ich nicht, denn es werden dann zwar höhere Ordergebühren verlangt, aber anderseits auch weitere Börsen angebunden. Ich habe kein Problem damit bis zu 10 Euro zu bezahlen und werde mit dem Investieren deshalb auch nicht aufhören. Bei meinem Hauptdepot zahle ich sowieso pro Trade 8,90 Euro und überlege mir dreimal, ob ich etwas kaufe oder verkaufe.
Es kann passieren, dass die Sparpläne bei den Neobrokern dann nicht mehr kostenlos sind, aber auch das lässt sich verschmerzen. Deswegen kann ich dieses Geschrei vom "Ende der Investmentkultur" nicht so ganz nachvollziehen. Dazu wird es nicht kommen. Stattdessen wird dann weniger gehandelt, was nicht das Schlechteste ist.
Die Reichen sollen mehr bezahlen
Was ich hingegen überhaupt nicht verstehen kann, waren die Äußerungen der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckhardt. In einem Welt-Interview betonte sie, dass sie es für falsch halte, wenn jemand hohe Summen auf der Kante hat, ohne dass sie für die Gesellschaft wirken." Laut der Bundestags-Vizepräsidentin müssen wir unseren Reichtum besser teilen.
Eine konkrete Summenhöhe nannte sie nicht, aber das ist auch erstmal egal. Denn was machen denn jetzt die ganzen jungen Leute, die etwas für die Rente ansparen und Geld auf der hohen Kante liegen haben? Das Geld für den Sozialstaat ausgeben, der eh schon exorbitant teuer ist? Und dann kommt so eine Aussage von einer Politikerin, die nicht in die Rentenkasse einzahlen und von einer Mickerrente leben muss? Mit 57 ist sie von der Rente auch nicht mehr so weit entfernt. So lange werden die Rentenkassen wohl auch noch halten.
Dazu kommt auch noch die Komplettbesteuerung der Rente ab 2040. Die Krankenkassen ziehen ja auch noch Geld von der Rente ab. Wenn ich also meinen Lebensstandard im Alter halten will, muss ich privat mit Summen "auf der hohen Kante" vorsorgen. Wenn der Staat einem das Geld wegnehmen will ohne im Umkehrschluss für eine gute Altersversorgung zu sorgen, stehen alle dumm da. Wie wäre es beispielsweise mit dem Vorschlag, dass alle Politiker und Beamten in die Rentenkassen einzahlen, um die Löcher zu stopfen?
Wie kann einem der Staat Geld wegnehmen?
Eine vergleichsweise einfache Möglichkeit ist die Erhöhung der Kapitalertragssteuer. Dann reden wir nicht mehr von 10 Euro wie beim Payment for Order Flow, sondern von einigen 100 oder 1.000 Euro mehr im Jahr, die an Steuern bezahlt werden müssen. Und diese betrifft eben nicht nur die Millionäre, sondern alle, die an der Börse investieren. Hier kommt auch nicht so viel Gegenwehr, da in Deutschland keine 20 % an der Börse anlegen. Wäre das fair? Nein!
Und wenn ich in diesem Interview noch lese, dass ein Gerechtigkeitsgipfel stattfinden soll, wo über die richtigen Instrumente für ein stärkeres Heranziehen der Reichen beraten werden soll, steigt bei mir der Puls an. Vor allem wenn neben den (demokratischen) Parteien, dem Bund, den Arbeitgebern, den Ländern und Kommunen auch noch "die Gewerkschaften und die Kirchen" mit ins Boot geholt werden sollen, dann verliere ich komplett den Glauben - und am Ende womöglich das Ersparte.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Deutschland ist das zweitteuerste Steuerland in Europa nach Belgien. Warum? Weil der teure Sozialstaat und teure Wahlversprechen irgendwie bezahlt werden müssen. Am Ende profitieren wir ja auch alle davon, aber man sollte es nicht überreizen. Das führt am Ende zu leeren Kassen, u. a. der Rentenkasse. Darüber hinaus ist das deutsche Gesundheitssystem mit den Krankenkassen und Klinken mittlerweile arg am Limit. Das Alles muss irgendwie finanziert werden.
Solche Äußerungen aus der Politik kann ich echt nicht mehr hören. Vor allem wenn am Ende das Mehr an Geld wieder für nichts ausgegeben wird wie beispielsweise die schweineteure PKW-Maut.
Und um es nochmal ganz deutlich zu sagen: Eine Partei wie die AfD würde noch viel mehr kaputt machen. Ein großes Ziel der Populisten ist die Auflösung der EU. Was das für eine Wirtschaft bedeuten kann, lässt sich in Großbritannien sehr anschaulich erkennen. Und aus Protest so eine Partei mit solchen Zielen zu wählen, führt am Ende nur einem sehr großen Wohlstandsverlust in Deutschland und Europa. Dann wird nämlich alles noch teurer für uns alle!
Leider ist die Arbeit der derzeitigen Regierung schlichtweg mangelhaft und sorgt durch viele unüberlegte Äußerungen und Handlungen für einem immensen Vertrauensverlust in die Politik. Das Beispiel von Katrin Göring-Eckardt passt da leider genau rein. Und das hat auch nichts damit zu tun, dass sie bei den Grünen ist. PolitikerInnen von SPD, CDU und FDP haben sich da auch nicht mit Ruhm bekleckert. Von den Linken will ich an dieser Stelle gar nicht reden. Deren Forderungen sind noch schlimmer als die von Frau Göring-Eckhardt.
Abschaffung von Elterngeld für Gutverdienende
Die Pläne der Politik sehen hier vor, dass Haushalte mit einem Einkommen von über 150.000 Euro künftig kein Elterngeld mehr bekommen. Vorher lag die Grenze bei 300.000 Euro. Das ist natürlich ärgerlich für die Betroffenen, aber wenn ich schon so viel verdiene, sollte ich nicht von staatlichen Leistungen abhängig sein. Es gibt wirklich Millionen von Menschen, die dieses Geld dringender benötigen. Die Streichung würde auch nur 60.000 Familien in Deutschland betreffen, die über ein versteuerndes Einkommen von über 150.000 Euro verfügen. Zumindest laut Daten aus dem Familienministerium im Jahr 2020. Insgesamt betrifft die Abschaffung nur 5 % aller Elterngeld-Empfänger.
Warum dann eine Verena Pausder einen riesigen Aufriss machen muss und eine Petition ins Leben rufen muss, die von anderen reichweitenstarken FinfluencerInnen aufgegriffen wird und einen immensen Reichweitenhebel hat, kann ich nicht nachvollziehen. Diese Petition wurde von 500.000 Menschen (!) unterschrieben, obwohl davon nur ein Bruchteil betroffen wäre. Laut Pausder würde diese Kürzung "die Mitte der Gesellschaft" betreffen. 60.000 Familien sind die Mitte der Gesellschaft? Diese Aussage hat mich an den Ausspruch von Friedrich Merz erinnert, dass er als Millionär ja nur gehobene Mittelschicht sei.
Für mich war das alles nur eine riesige PR-Kampagne, die massiv auf die Bekanntheit von Verena Pausder eingezahlt hat. Fairerweise muss aber dazu sagen, dass sie selbst sagt, dass sie davon persönlich nicht betroffen sei, aber eben viele ihrer Followerinnen, für die sie sich einsetzen will.
Andere Petitionen, die sich an wirklich Bedürftige richten, bekommen hingegen nicht eine solche Aufmerksamkeit. In Zeiten von immer länger werdenden Schlangen bei den Tafeln in Deutschland ist das wirklich eine völlig falsche und abgehobene Diskussion.
Fazit
Die Diskussionen über die Politik werden nie ein Ende finden. Aber trotzdem sollte man bei all der Kritik immer einen Blick auf das große Ganze werfen. So führt die Abschaffung von "Payment for Order Flow" nur zu etwas höheren Orderkosten. Das sind aber nicht Tausende Euro im Jahr mehr. Aus meiner Sicht ist das zu verkraften. Genau wie diese unsinnige Elterngeld-Diskussion.
Wenn nun aber die Kapitalertragssteuer ordentlich angehoben werden würde, wären über 13 Millionen Menschen betroffen, die auf lange Sicht mit Sicherheit mit Tausenden Euro weniger bei der privaten Altersvorsorge rechnen müssten. Betrifft dann auch den Zinseszins, der kleiner wird.
Wenn die Gewerkschaften und Kirchen ihren Teil vom Kuchen abhaben wollen, dann wird das Ersparte wirklich immer weniger. Und das betrifft dann wirklich die Mitte der Gesellschaft - spätestens wenn die ab 2040 in Rente gehen und immer weniger übrig bleibt. |