Liebe Freund*innen,
dieser Wahlkampf wird von rechten Themen dominiert, von antifeministischen Äußerungen und rassistischen Botschaften. Manche sind leicht zu erkennen, andere weniger. Wir bei PINKSTINKS sehen das mit großer Sorge und haben uns entschieden, für euch nah dran zu bleiben – als eure Wahlbeobachter*in. Einmal die Woche wollen wir euch in einer Extra-Ausgabe unseres Newsletters zu aktuellen Forderungen und Äußerungen im Wahlkampf aus feministischer Sicht informieren. Aber nicht nur informieren: Wir hoffen, dass wir euch so für Gespräche mit Nachbar*innen, mit eurer Familie, mit Kolleg*innen unterstützen können. Dafür haben wir ein kleines Extra-Wahl-Team gegründet: Ulrike & Nils. Ulrike, die schon seit ein paar Jahren den Newsletter schreibt und betreut. Und Nils - na, den kennt ihr ja: Er ist dienstältestes PINKSTINKS-Mitglied und gibt seit vielen Jahren als Autor in seinen Texten bei PINKSTINKS viele wichtige Denkanstöße.
Unser erstes Thema: Merz’ Aussage über die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft
Friedrich Merz war schon früher einer, der in Wahlkämpfen – wie er sagt – »nicht mit Wattebällchen wirft«. Zum Beispiel als er im Jahr 2000 die berüchtigte Leitkulturdebatte lostrat und unter anderem forderte, »Ausländer« sollten sich gefälligst der »gewachsenen freiheitlichen deutschen Leitkultur« anpassen. Für den Wahlkampf 2025 hat der CDU-Kanzlerkandidat mit seiner Partei rassistische Ideen über Nationalität und Identität wieder aufgewärmt und schlägt nun vor, man könne doch einfach straffälligen Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft ihre deutsche Staatsbürgerschaft entziehen.
Was bedeutet das?
Das deutschnationale Sprechen über »Gäste« ist wieder zurück und damit Wahlkampfthema. Merz knüpft genau dort an, wo er in seinem unsäglichen Leitkulturbeitrag mit Sätzen wie »Ein Fünftel aller Ausländer ist in Deutschland geboren« aufgehört hat: Er teilt Menschen, die hier leben, in wir und die. Anders als die AfD verzichtet er dabei weitgehend auf rechte Begriffe wie »Biodeutsche« oder »Passdeutsche«. Doch durch die schleichende Normalisierung der AfD in den vergangenen Jahren ist allen klar, was gemeint ist. Und in den Köpfen schwingt der rassistische Gedanke mit: Mit denen können wir das ja machen, die sind anders. Dass das Aberkennen der Staatsbürgerschaft rechtlich kaum durchsetzbar ist, spielt dabei kaum eine Rolle. Auch nicht, dass Artikel 16 des Grundgesetzes das Entziehen der deutschen Staatsangehörigkeit untersagt – gerade vor dem Hintergrund, wie in Nazideutschland diesbezüglich mit »Undeutschen« umgegangen wurde. Wichtig für Merz ist, wer damit angesprochen wird.
Wen will Merz mit der Botschaft erreichen?
Potenzielle und tatsächliche Wähler*innen der AfD. Hier soll ein Angebot an die sogenannte Mitte der Gesellschaft gemacht werden, damit diese keine völkisch-rechtsextreme Partei wählen muss, um rechte Politik durchzusetzen. Und um rechte Politik geht es. Der Vorschlag von Friedrich Merz löst kein einziges Problem. Er ignoriert, dass die doppelte Staatsbürgerschaft integrationsfördernd ist1. Und sendet so nebenbei das fatale Signal an 2,9 Millionen Menschen2 mit doppelter Staatsbürgerschaft in Deutschland: Ihr gehört nicht dazu. Für die Wahl 2025 setzt Friedrich Merz darauf, sich den Ressentiments und der Menschenfeindlichkeit von Teilen der Bevölkerung anzubiedern, um sich als Alternative zur AfD zu präsentieren. Während die AfD in Karlsruhe Menschen mit Migrationshintergrund »Abschiebetickets« in die Briefkästen wirft, leistet Friedrich Merz dafür die Vorarbeit, indem er die Gesellschaft in wir und die spaltet. Das Nach-rechts-Ausrichten der CDU unter Merz hat dazu beigetragen, dass die Zusteller*innen dieser rassistischen Wahlaktion auch genau wissen, in welchen Briefkästen die »Abschiebetickets« landen sollen.
Warum ist das ein feministisches Thema?
Merz schlägt vor, fast 3 Millionen Menschen in Deutschland zu Bürger*innen zweiter Klasse zu machen. Unter dem Vorwand der Gefahrenabwehr möchte er Teile der Gesellschaft entrechten. Anstatt auf Integration und Gemeinsinn setzt er auf Spaltung und Ausgrenzung. Das Diskriminierungsfass, das er damit aufmacht, hat keinen Boden.
Menschen, denen das gefällt, gefallen auch: Abtreibungsverbote, Ausgrenzung von Armen, die Marginalisierung von Minderheiten und die Beschneidung von Frauenrechten. »Für das, was ihr wollt, müsst ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU«, schrieb die CDU-Politikerin Julia Klöckner vor Kurzem in einem mittlerweile gelöschten Instagram-Post.3 Im Umkehrschluss bedeutet das: Alle, die nicht möchten, dass AfD-Inhalte umgesetzt werden, sollten ihr Kreuz nicht bei der CDU machen.