Raus aus dem Sendemodus, gehen Sie auf Empfang – warum Aktives Zuhören ein entscheidendes Führungsinstrument ist
Jede zweite Führungskraft investiert maximal eine Stunde pro Woche, um sich mit Mitarbeitern persönlich auszutauschen, bei jeder vierten ist es sogar weniger als eine halbe Stunde laut einer Umfrage von The Alternative Board (TAB). Dabei sind 91 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass es wichtig sei, bei grundlegenden Entscheidungen die Einschätzungen und Wünsche von Mitarbeitern zu berücksichtigen. Doch diese lassen sich eben vor allem durchs persönliche Gespräch ermitteln – und daran mangelt es in deutschen Büros und Werkhallen. Fehlender Austausch und mangelhaftes Zuhören können fatale Folgen haben: Mehr als die Hälfte der 600 mittelständischen TAB-Unternehmer gab zu, verlustreiche Fehlentscheidungen getroffen zu haben, weil sie Mitarbeitern nicht zugehört hatten. Woran liegt es, dass wir uns so schwer tun mit dem Zuhören?
Im Zeitalter der ständigen Reizüberflutung ist unsere Aufmerksamkeitsspanne geringer geworden – immer mehr Informationen und Nachrichten strömen in unser Bewusstsein und nehmen Raum ein. Oftmals sind wir zu sehr mit uns selbst, unseren Aufgaben und Pflichten, unseren mobilen Nachrichtendiensten, sozialen Netzwerken und dem E-Mail-Eingang beschäftigt, die in einem nicht enden wollenden Chat-Chor unsere Aufmerksamkeit binden. Dann fehlen schlichtweg Kapazitäten, um die Äußerungen meines Gegenübers in einem Gespräch konzentriert zu verfolgen und Fragen dazu zu stellen.
Ein halbes Ohr hört höchstens die Hälfte
Sobald ich gedanklich abschweife, verliere ich den Gesprächsfaden und versäume Inhalte. Das kann für Missverständnisse und Fehleinschätzungen sorgen. Ein halbes Ohr hört höchstens die Hälfte – und vernichtet Motivation und Vertrauen beim anderen. Denn wer das Gefühl hat, das ihm nicht wirklich zugehört und er nicht richtig wahrgenommen wird, der öffnet sich nicht, sondern zieht sich zurück, beschränkt sich auf das Nötigste an Mitteilungen und ist wenig motiviert, tiefere Einblicke zu gewähren oder sich nachhaltig zu engagieren. Aktives Zuhören heißt fokussiert aufs Gegenüber zu sein, auf Selbstbeweihräucherung, gut gemeinte Ratschläge und vorschnelle Interpretationen zu verzichten.
Die Expertisen und Blickwinkel der anderen führen zu Weitblick
Die besten Unternehmer seien gute Zuhörer, sagt Richard Branson („Seek to understand before you seek to be understood“, virgin.com, Blog). Auch Apple-Gründer Steve Jobs forderte seine Mitarbeiter stets zu Diskussionen heraus, fragte nach den wichtigsten zehn Projekten fürs kommende Jahr, ließ alle zu Wort kommen und ausreden. Aus den Ergebnissen erstellte er ein Ranking, das für ihn die Richtschnur des künftigen Handelns war. Die besten drei Ideen standen fortan im Fokus. Führungskräfte wie Jobs wissen die verschiedenen Sichtweisen und Expertisen ihrer Mitarbeiter zu schätzen. Und sie heben diesen Schatz durch aktives Zuhören.
Viele Menschen bewerten schnell, oft zu schnell. Wenn sie ihr Gegenüber ausreden ließen und bis dahin wertfrei zuhörten, fiele die anschließende Bewertung des Gesagten oft ganz anders aus als das vorschnelle Reagieren und Einordnen. Manchmal sind jedoch der Zeitdruck und der Berg an Aufgaben so hoch, dass wir das Vermögen nicht aufbringen können, aufmerksam zuzuhören. Dann ist es sinnvoll, das Gespräch – wenn möglich – zu vertagen und einen besseren Moment dafür zu wählen.
Aktives Zuhören lässt sich lernen, nachfolgend ein paar Anregungen dafür:
Fokus aufs Gegenüber
Nachdem Sie Ihrem Mitarbeiter/Ihrer Mitarbeiterin eine offene Frage gestellt haben, gilt es, der Antwort volle Aufmerksamkeit zu schenken. Das bedeutet: Schauen Sie beim Zuhören nicht aus dem Fenster, auf Ihr Handy oder den PC-Monitor, sondern blicken Sie Ihr Gegenüber an. Ansonsten gleicht es einer Partyeinladung, bei der Sie dem ankommenden Gast zwar noch die Tür öffnen, aber sie gleich danach wieder zuschlagen und ihren Gast auf der Fußmatte stehen lassen.
Gute Fragen sind die halbe Miete
Ein gewinnbringendes Zuhören setzt gute Fragen voraus. Stellen Sie vor allem W-Fragen, verzichten Sie jedoch auf Warum-Fragen. Etwas zu verstehen muss nicht unbedingt heißen, damit auch einverstanden zu sein, wie mein Kollege Boris Grundl treffend formuliert. Doch Verständnis ist die Voraussetzung für funktionierende Kommunikation. Fassen Sie das eben Gehörte nochmals mit Ihren eigenen Worten zusammen, so dass Ihr Mitarbeiter/Ihre Mitarbeiterin gegenchecken kann, ob Sie ihn oder sie richtig verstanden haben.
Vorsicht bei:
* Wenn wir darüber nachdenken, was wir als nächstes sagen sollen, während andere ihre Gedanken mitteilen, kann der Gesprächspartner sehen, wenn unsere Köpfe nicht im Gespräch sind.
* Keine tieferen Fragen stellen, um mehr zu entdecken, weil wir die Antwort bereits haben und so gut darin sind, andere Menschen zu reparieren!
* Wir konzentrieren uns überhaupt nicht auf das Gespräch!
* Wir verlieren den Überblick über das Gespräch, weil wir nicht lange genug den Mund halten können, um zuzuhören und zu hören, was andere zu sagen haben,
* Wir versäumen es, der Stille den Raum zu geben, den es braucht. Wir denken, dass es unsere Aufgabe ist, Stille zu füllen.
* Wir sind zu sehr damit beschäftigt, unsere Vorurteile zu beweisen und das Ende der Geschichte zu erzählen, bevor sie überhaupt begonnen hat.
* Es ist unmöglich, zu hören, was "unter der Oberfläche" gesagt wird, weil das Aufnehmen der Hinweise Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert.
Das Lesen dieser Schritte, um ein aktiver Zuhörer zu sein, ist eine Möglichkeit, den richtigen Kurs einzuschlagen.