#18 FOMO: Die Last mit dem Leben der
Anderen (1)
Jede Minute werden 16 Millionen Textnachrichten verschickt und fast
eine halbe Million Tweets abgesetzt. Hierzulande verwenden Handynutzer täglich
allein 33 Minuten auf Facebook (Quelle: statista.com). Das Bedürfnis, mit der
Welt und ihren Ereignissen ständig verknüpft zu sein, ist offensichtlich groß.
Der installierte News Feed auf unseren Smartphones sorgt für permanentes
Nachrichten-Grundrauschen, die sozialen Netzwerke locken zudem dank
Statusupdates mit ständig neuen Einblicken ins Leben von Promis und Bekannten.
Die digitale Vernetzung bindet unsere Aufmerksamkeit und schafft gleichzeitig
das Bedürfnis, teilhaben zu wollen, sich selbst darzustellen und Anerkennung zu
generieren. Manchmal geht mit diesen Bedürfnissen auch eine Angst einher.
Nämlich die Angst, etwas zu verpassen. Der Zeitgeist hat dafür ein Akronym
geschaffen: FOMO (fear of missing out). Damit ist die zwanghafte Sorge gemeint,
„eine soziale Interaktion, eine ungewöhnliche Erfahrung oder ein anderes
befriedigendes Ereignis zu verpassen und nicht mehr auf dem Laufenden zu
bleiben“, so wikipedia. Die
Angst, etwas zu verpassen, ist so alt wie unser Zusammenleben. Durch den
Einfluss digitaler Medien und mobiler Kommunikationswege ist sie heute jedoch
extrem verstärkt – und gilt mittlerweile als erste Social-Media-Krankheit.
Verstimmungen,
Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten – wenn die Vernetzung zur Last wird
Denn die Symptome dieser Angst haben weitreichende Auswirkungen: Die
Stimmung wird trübe, weil andere Begegnungen und Erlebnisse hatten, ohne dass
man selbst Teil davon war (Verlustangst). Gleichzeitig fürchtet man, die
Erfahrungen der oder des anderen seien besser gewesen als der eigene Alltag
(Angst vor Ablehnung). Die Nervosität wächst ob der Unwissenheit, was andere
gerade tun, wenn sie nicht online sind (Angst vor Kontrollverlust). Ein
fehlendes WLAN- oder Handy-Netz unterwegs sorgt bereits für das Gefühl, von der
Welt abgeschnitten zu sein. Beim Treffen mit anderen oder auch bei Wartezeiten
wird im Netz gesurft und gechattet statt sich dem realen Austausch mit dem
Gegenüber oder einfach der Muße hinzugeben. Beim Arbeiten oder Lernen treten
Konzentrationsprobleme auf, weil der Drang übermächtig ist, zwischendurch online
zu gehen. Selbst Autofahrten sind nicht mehr frei von der mobilen
Kommunikation. Der Smartphonegebrauch am Steuer gilt mittlerweile als
Unfallursache Nr. 1. Es spricht also einiges dafür, über das eigene
Selbstmanagement im Umgang mit sozialen Medien nachzudenken – und ein paar
Regeln zu beachten, die helfen, nicht zum Fomotiker zu werden:
Bin ich
schon Fomotiker oder einfach „nur interessiert“?
Manchmal fehlt uns selbst der kritische Abstand, um zu erkennen, wie
sehr uns das Netz und seine Kommunikationskanäle bereits im Griff haben. Machen
Sie doch einfach mal einen Test: Für einen Zeitraum von sechs Wochen löschen
Sie einen Großteil Ihrer Apps auf dem Handy und reduzieren bewusst Ihre
Aktivitäten auf Plattformen wie WhatsApp und Instagram.
Installieren Sie dafür eine App, die Ihnen täglich zeigt, wie viel Zeit Sie
tatsächlich am Handy verbracht haben (z.B. Quality Time). Sie dokumentiert
unbestechlich die reale Zeit der Handynutzung und spiegelt Ihnen den
tatsächlichen Konsum wider. Einhergehend mit der App-Diät beginnen Sie Ihren
Tag nicht mit dem digitalen Nachrichtencheck, sondern zum Beispiel mit einer
Yoga-Einheit. Beobachten Sie, wie es Ihnen damit im Verlauf der Zeit geht und
welche Effekte der reduzierte Konsum auf Sie hat. Nach Ablauf der sechs Wochen
können Sie neu und ganz bewusst entscheiden, wie Sie künftig Medien und Kanäle
nutzen. Eines werden Sie gewiss gelernt haben: Die Angst, etwas zu verpassen,
lässt mit zunehmendem Abstand nach.
Bye, bye
Vergleiche, hello Authentizität!
Ob wir wollen oder nicht, beim Betrachten der Bilder, die andere in
den sozialen Netzwerken posten, gleichen wir das fremde Leben gegen das eigene
ab. Wo war er oder sie im Urlaub? Auf welchem Event war er oder sie eingeladen?
War ich dort auch schon mal? Wäre ich dort auch gerne gewesen? Was habe ich
stattdessen gemacht? Diese Vergleiche nagen am Selbstbewusstsein, wenn wir das
Gefühl haben, nicht mithalten zu können. Neid überkommt uns, weil wir den oder
die anderen größer machen als uns selbst. Wenn wir andere er- oder überhöhen,
machen wir uns selbst gleichzeitig klein. Werden Sie sich in solchen Momenten
besser der eigenen Einzigartigkeit bewusst: Was genau macht Sie aus? Worin
liegen Ihre besonderen Stärken, Fähig- und Fertigkeiten? Was haben Sie bereits
erreicht? Sind es nur äußere Errungenschaften wie Schmuck, Autos oder
Klamotten, die Sie einzigartig machen oder fällt Ihnen noch mehr ein?
©
Ihre Antje Heimsoeth |